
Bei der Farbgestaltung von Praxisräumen hat sich zu lange der Mythos vom “hygienischen Weiß” gehalten.
Aber warum ist weiß als Farbwahl überhaupt problematisch?
Grundsätzlich gilt zu verstehen, dass Farbe unserem Gehirn hilft, die Welt zu verstehen. Wir orientieren uns in erster Linie visuell und dazu gehört natürlich auch das Farbsehen.
Nun gibt es in der Natur sehr viele unterschiedliche Farbtöne und Schattierungen. Weiß kommt jedoch eher spärlich und nur punktuell vor. Mit einer Ausnahme…. im Winter. Verschneite Landschaften haben ihren Reiz ohne Zweifel und ich bin die letzte, die einen tollen Schneespaziergang nicht zu schätzen wüsste.
Ein großes Problem dabei ist aber häufig die Blendung. Bist du schonmal an einem sonnigen Tag im Schnee unterwegs gewesen? Ohne Sonnenbrille kaum auszuhalten oder? Weiß ist der ultimative Blender unter den Farben. Zudem löst Weiß so gut wie alle Linien auf. Besonders gut lässt sich dieses Phänomen bei einem sogenannten „White-out“ beobachten. Wenn im Winter Schnee und vor allem Wind zusammenkommen und alle Konturen verschwimmen, ist es beinahe unmöglich sich zu orientieren.
Klar in Innenräumen sind wir weit entfernt von diesen extremen Wetterphänomenen. Aber die Problematik bleibt. Weiß lässt Konturen verwischen und entzieht uns zudem wichtige Sinnesreize. Es ist eine deprivative Farbe und das Problem mit der Blendung und somit Verengung der Sehschlitze bleibt bestehen.
Farbe ist mehr als nur dekoratives Stilmittel.
Sie hilft uns Räume geometrisch besser zu erfassen und unsere Umgebung zu verstehen. Sie kann uns auch täuschen und räumliche Illusionen hervorrufen. Deshalb ist es so wichtig sie richtig einzusetzen und als Material zu begreifen, mit dem wir die Architektur unterstützen und gleichzeitig unserem Bedürfnis nach Klarheit und Orientierung nachkommen können.
Wenn wir es dann noch schaffen, uns an der natürlichen Farbpalette zu orientieren, haben wir auch im Hinblick auf das sensorisch optimierte Raumgefühl die beste Entscheidung getroffen. Klar können auch kräftigere Farbtöne ihren Reiz haben und Räume spannender wirken lassen. Hier kommt es aber stark auf die Nutzungsdauer und das Ziel der Gestaltung an.
Inzwischen ist es ja weitgehend bekannt, dass Fastfoodketten ihre Restaurants absichtlich in knallig bunten und kräftigen Farben gestalten um die Gäste möglichst schnell wieder loszuwerden und die Tische maximal häufig besetzen zu können. Komm rein, iss schnell und geh wieder, ist hier die Devise.
In Spa-Bereichen und Wellnesshotels wird konträr dazu auf sehr harmonische Farbgestaltung und eine möglichst natürliche Materialwahl wertgelegt. Hier ist das Ziel natürlich ein ganz anderes. Es soll zum verweilen, entspannen und abschalten einladen.
Bei Gesundheitsbetrieben erleben wir eine komische Parallelwelt.
Hier ist kein Ziel im Sinne der Aufenthaltszeit gegeben, da diese naturgemäß von anderen Faktoren abhängig ist. Der Auslastung, dem Termindruck, der Behandlungszeit und der möglichen Unterbrechungen. Deshalb erfolgte hier lange das Gestaltungsprinzip der Funktionalität und technische Parameter wie Reinigungseigenschaften und Sterilität erhielten Vorrang vor der ästhetischen Gestaltung.
Denn lange wurde diese als reiner Bonus angesehen und nicht wichtig genug empfunden. Menschen sind jedoch sensorische Wesen und unsere Sinneswahrnehmungen stehen im direkten Wechselspiel zu physischen- und psychischen Reaktionsmustern. Weshalb sich inzwischen auch der Zweig der Architekturpsychologie wachsendem Interesse und Anerkennung erfreut.
Hier richtet man sich gezielt nach menschlichen Bedürfnissen. Denn letztlich sind es immer die Menschen, die einen Raum nutzen und wir können uns die Raumwirkung gezielt zu Nutze machen.
So haben wir die Chance gerade in Gesundheitsbetrieben dafür zu sorgen, angstfreie Räume zu gestalten. Die sowohl den Patienten helfen ihre Situation (Schmerz/Angst/ Unsicherheit) besser zu ertragen und auch den Gesundheitsdienstleistern einen Arbeitsplatz zu ermöglichen, der das Wohlbefinden unterstützt.
Keine Logo-Farben in der Raumgestaltung einsetzen!
Übrigens ist davon abzuraten CI Farben, also Logofarben bei der Raumgestaltung zu intensiv einzusetzen. Diese sind nicht für die Raumgestaltung gedacht und 2D Print- und Webmedien wirken bewusst anders als 3dimensionale Räume. Hier wird häufig die Zielsetzung vermischt und die menschlichen Bedürfnisse der unterschiedlichen Anwendungszwecke übersehen. Print- und Webmedien buhlen um die Aufmerksamkeit der Betrachter und sollen sich abheben und neugierig machen. Das schafft man mit kräftigen Farbtönen, unterschiedlich lauten Schriften und Formsprache.
Räume haben andere Aufgaben und deshalb ist die selbe Farbkonstellation hier fehl am Platz. Auch die häufig als Referenz zu rate gezogene “Farbtheorie” sehe ich kritisch. Die Wirkungen, die laut dieser Theorie den einzelnen Farbtönen zugeschrieben wird, sind maximal in einem isolierten Versuchs-Setting möglich. Deshalb bietet auch das keinen wirklich brauchbaren Anhaltspunkt.
Aber wie gehen wir denn jetzt konkret vor, wenn wir feststellen: oha… meine Praxis ist in die Weißfalle getappt.
Zuerst einmal kann man natürlich das naheliegendste tun und neu Streichen. Hier empfiehlt sich ein Farbkonzept aus maximal 3 Tönen die im natürlichen und oder neutralen Farbspektrum zu finden sind. Von Cremetönen über Beige und Greige zu warmen Grau- und hellen Brauntönen. Aber auch natürliche Grün- und Blautöne können angenehm sein.
Wichtig ist, bei der Wahl der Farben auch den gesundheitlichen Aspekt des Materials Farbe zu bedenken. Im klassischen Baumarktsortiment findet der Laienanwender eigentlich nur Dispersionsfarben. Diese haben sich in der Anwendung als leicht zu streichen und schnell deckend erwiesen. Leider haben Sie einen fiesen und nicht zu unterschätzenden Nachteil. Alle diese Dispersionen enthalten Lösemittel, Kunststoffe und sind definitiv nicht Gesundheitsfördernd. Denn die Lösemittel und schnell flüchtigen Verbindungen gasen über einen sehr langen Zeitraum aus.
Leider reicht hier auch ein paar Tage auslüften nicht aus. Und was noch perfider ist, es gibt inzwischen Farbhersteller, die ihre Farben mit dem Zusatz “ohne Aromata” anpreisen. Was nichts anderes bedeutet, als dass der übliche “frisch gestrichen Geruch” ausbleibt. Dieser veranlasst uns aber immerhin zum Lüften der gestrichenen Räume.
Denn das fehlen dieser Aromata heißt keineswegs, dass die Ausdünstungen weniger sind. Wir merken es nur nicht mehr direkt. Sondern oft erst, wenn wir Kopfschmerzen bekommen. Diesen Trend halte ich für ziemlich gefährlich.
Bei Dispersionsfarben kann zudem die fehlende Diffusionsbereitschaft die Schimmelbildung begünstigen und sie beeinträchtigt ein Gebäude bauphysikalisch ungünstig. Man kann sich also merken, die Dispersionsfarbe ist der Gummihandschuh für die Wand. Praktisch aber auf Dauer nicht die gesündeste Option.
Mineralische Farben als gesündere Alternative
Eine deutlich bessere Wahl sind hier mineralische Anstriche. Kalk-Kreide oder Sol-Silikatfarben sind neben der Lehmfarbe eine deutlich gesündere und auch bauphysikalisch klügere Wahl.
Mit einer Einschränkung. Die Verarbeitung dieser Farben (abgesehen von der Kreidefarbe) erfordert meist einen Fachmann, da mineralische Anstriche neben der optimalen Vorbereitung des Untergrundes auch eine spezielle Technik und mindestens 2 Anstriche benötigen um das bestmögliche Ergebnis zu bekommen.
Dennoch ist es aus meiner Sicht den Aufwand wert hier in ein gutes Produkt zu investieren. Denn nicht nur die Räume profitieren von einer schöneren Farbtiefe auch unsere Gesundheit dankt es uns.
Eine weitere Option die Weißfalle abzumildern wäre das Aufbringen von natürlichen Materialien wie Holz. Hier gibt es einige Interessante Optionen, manche davon auch mit akustischer Wirksamkeit. Auch Moos, Filz und Kork haben hier ihren Platz.
Um ein stimmiges Konzept zu erreichen ist es wichtig, sich auf einige wenige Stilmittel zu beschränken und diese in passender Weise zu wiederholen. Das Gestaltungsprinzip des Rhythmus und der Wiederholung sind hier der Garant für ein harmonisches Ergebnis.
Was für eine optimale Gestaltung niemals fehlen darf, ist Licht. Denn ohne das richtige Licht, wirkt keine Farbe der Welt wie sie soll. Aber dazu mehr in der nächsten Episode.
Wenn du nun an einem Punkt stehst, wo du dir denkst ok… hab ich verstanden aber ich hab keinen blassen Schimmer wie ich das umsetzen soll, dann helfe ich dir selbstverständlich mit einem passenden Konzept für deine Praxis weiter. Kontaktiere mich gerne und wir schauen, wie wir zusammen arbeiten können.
Wenn du deine Räume erst einmal überprüfen willst und dir unsicher bist, welche Verbesserungen für deine Praxisräume möglich sind, dann hol dir gerne die Praxis-Checkliste und mache eine Raum-Ananmnese. Den Link dazu findest du hier:
Vielen Dank für deine Aufmerksamkeit und bis zum nächsten Mal beim PraxisWandel.
Deine Kathrin