Nicht selten überlege ich mir, was ich dir in der Wohnsprechstunde gerne erzählen möchte, es gibt ja so viel zum Thema Einrichtung und Wirkung von Gestaltung zu sagen.

Aber heute habe ich gedacht, berichte ich dir über eine denkwürdige Begegnung auf der Plattform LinkedIn.

Zuerst einmal möchte ich sagen, dass es mir fern liegt Kollegen runter zu machen oder eine Arbeit die nach Kundenwunsch erledigt wurde zu bekritteln. Was ich aber dennoch nicht abstellen kann,
ist mich zu fragen, was sich die Auftragnehmer, in diesem Fall war es ein Architektenbüro, bei der Ausführung so denken.

Es begegnet mir häufig, dass langläufig die Ansicht herrscht, Architekten könnten auch Innenarchitektur. Nicht selten sind diese Architekten sogar selbst dieser Meinung und von ihrer Arbeit mehr als überzeugt.

Zu was das führen kann, habe ich bei dieser oben angekündigten Begegnung deutlich gesehen. Aber nun will ich nicht weiter abschweifen und berichte dir, was mir da widerfahren ist.

Was war passiert?

Man öffnet also gut gelaunt am Montag-Morgen seinen LinkedIn Feed und sieht die Postings des eigenen Netzwerkes oder das, was sie geliked und kommentiert haben. Und das erste was mir ins Auge springt, ist der Post eines Architekten, der eine Arztpraxis gestaltet hat. Soweit so normal.
Im Text wurde die moderne Ausstattung und die Gemütlichkeit des Warteraumes angepriesen.

Auf den Bildern zeigte sich der wahrgewordene Albtraum jedes Patienten, der sich in Arztpraxen nicht unbedingt hobbymäßig aufhält und der am liebsten nicht über den nächsten Besuch nachdenken möchte.
Sterile, schmucklose, weiße Räume, eine kalte und ungemütliche sowie aus meiner Sicht unüberlegte Beleuchtung. Zwei Mitarbeiterinnen grinsen hinter einer bestenfalls aussagefreien weißen Theke hervor. Sie stehen vor einer Wand aus Schranktüren, die (wen wundert es?) weiß sind und ohne jede Auflockerung ebenso gut aus den 80ern stammen könnten.

Aber die Krone der Schöpfung ist der sogenannte „gemütliche Warteraum“. Das schlug dann doch dem Fass den Boden aus. Eine ungepolsterte Bank aus weiß laminiertem Multiplex Schichtholz. Irre gemütlich stelle ich mir die vor. Nicht.

Und ein weißer Plastiktisch mit ebenso weißen Stühlen aus Sperrholz und Metall. Wow! Dachte ich mir, da können sich die Patienten so richtig gut auf den Auftritt von Dr. Frankenstein freuen.

Ach ne falsches Szenario, es handelt sich ja um eine neu übernommene Praxis einer Orthopädin. Also nix mit hochinfektiösen, immunbeeinträchtigten oder wahnsinnig akut sensiblen Patienten. Keine sterile Reinraumvorgabe zu erkennen. Warum zum Geier sieht es da dann aus, wie im Vorraum eines sterilen OP-Saales?

„Räume wirken immer! Ohne Ausnahme“

Wenn wir inzwischen eines gelernt haben sollten, dann, dass Räume wirken. Immer. Ohne Ausnahme. Und wer so eine Praxis gestaltet, hat entweder nicht aufgepasst, als es um die Aufgabe ging ein angenehmes Umfeld zu schaffen, und zwar für Menschen, die in dieser Situation eher angespannt und wenig euphorisch sind. Oder es wurde schlicht und ergreifend stumpf der budgetgetriebene Kundenwunsch umgesetzt.
Beides ist aus meiner Sicht unverzeihlich. Denn nicht nur der Umstand, dass man den künftigen Patienten dieser Praxis einen Bärendienst erwiesen hat. Es wurde auch eine bestimmt nicht allzu geringe Geldsumme aufgewendet um diesen „gestalterischen Faux pas“ anzurichten. Die Aufgabe von uns gestaltenden Planern, Designern, Architekten und allen, die sich dieser Branche zugehörig fühlen, ist es unsere Kunden aufzuklären und vor allem gute Lösungen für eine adäquate, menschenwürdige Gestaltung aufzuzeigen.

Das ist hier auf so beeindruckende Art misslungen, dass man es am liebsten für einen Scherz halten möchte. Leider darf ich dir aus Urheberrechtlichen Gründen keine Fotos zeigen.

„Menschen, die in eine Arztpraxis kommen, sind selten entspannt“

Menschen die eine Arztpraxis aufsuchen, tun dies meist, weil sie Schmerzen haben, eine nicht so schöne Diagnose im Raum steht oder sie sich zu einer empfohlenen Vorsorgeuntersuchung begeben müssen. Nichts davon hat mit Spaß zu tun und in den meisten Fällen schwingt eine beträchtliche Portion Ungewissheit und oft sogar Angst mit.

Um diese Emotionen aufzufangen, bedarf es einer durchdachten Gestaltung der Räume, die dem Patienten Sicherheit vermittelt und in der er sich trotz allem aufgehoben und willkommen fühlt.

Mein wichtigster Leitgedanke für die Gestaltung ist sowieso immer das Befinden der Menschen, die die Räume später nutzen. Und so wäre auch hier schön gewesen, man hätte sich mal ein paar Minuten Gedanken darüber gemacht, was so eine unfreundliche, kalte Umgebung bei Patienten anrichtet, die womöglich gerade erfahren, dass sie ein Leben lang eingeschränkt sein werden oder eine OP benötigen oder auch einen Beruf nicht weiter ausüben können, der ihnen vielleicht sogar Freude gemacht hat.

Ich werde nie verstehen, was in den Köpfen der Architekten vorgeht, die immer noch meinen, sie könnten auch Innenarchitektur, obwohl sie augenscheinlich von Raumgestaltung soviel verstehen, wie ein Karosserielackierer vom Autositze polstern.


Bitte versteh mich nicht falsch, es gibt bestimmt auch Architekten, die sich vernünftig haben ausbilden lassen im Bereich Innenarchitektur und die ihre Aufgabe gut machen. Aber bei dem genannten Beispiel wäre doch eher der Leitsatz „Schuster bleib bei deinen Leisten“ angebracht gewesen.

Es gibt natürlich auch die Fälle, in denen ein Kunde unbelehrbar auf seiner eigenen, unqualifizierten Vorgabe besteht und sich nicht überzeugen lässt, zum Wohle seiner Kunden zu handeln. Aber in so einem Fall zeigt man sein Werk dann womöglich nicht unbedingt der Welt. Also ist eher davon auszugehen, dass im beschriebenen Fall sogar die Meinung vorherrschte, man hätte wirklich etwas tolles geschaffen.

Und so gilt mein Abschlussplädoyer vor allem Bauherren und allen, die eine größere Umgestaltung in Auftrag geben. Geht nicht davon aus, dass ein Architekt alle Voraussetzungen mitbringt auch bei der Innenraumgestaltung eine gute Arbeit abzuliefern. Die beiden Bereiche sind, obgleich sie in einer Branche zusammengefasst sind, doch unterschiedlich und haben ihre spezifischen Anforderungen.
Ich für meinen Teil käme ja auch nicht auf die Idee, die Struktur eines Hauses zu entwerfen und Architekt zu spielen.

Und solltest du ein Arzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut, Logopäde oder Ergotherapeut sein, so überlege dir vor der nächsten Umgestaltung deiner Praxis ganz genau, für wen du diese Räume herrichten lässt und was du damit bezwecken willst. Vergiss nicht dabei deine Empathie zu nutzen und dich in die Gefühlswelt und die Bedürfnisse deiner Kunden, Patienten oder Klienten und auch deiner Mitarbeitenden zu versetzen. Denn es ist relevant mit welcher Raumwirkung wir uns umgeben. Du musst nicht im Detail wissen, wie es umgesetzt werden muss, aber du solltest in der Lage sein die Grundidee zu kommunizieren, so dass ein gestaltender Dienstleister diese Vorgabe erfüllen kann und dich bestmöglich dabei unterstützt dies in die Tat umzusetzen.

Also wie geht das jetzt besser?

Nun da ich dir von dieser eher unschönen Erfahrung berichtet habe, möchte ich dir noch einen Ausblick geben, wie es besser gehen kann. Wenn wir uns nämlich anschauen welche Spielräume wir auch in Hinblick auf gewisse Vorgaben im Gesundheitsbereich haben, sehen wir sehr schnell, dass „weiß“ keinesfalls die einzig mögliche Farbwahl ist.

Wenn wir uns beim Thema Farbe aufhalten, so ist natürlich auch die gängige Farbtheorie nicht weit. Was ich darüber denke, habe ich in Episode 7 „Das Thema Farbe“ genauer dargelegt, vielleicht magst du da im Anschluss auch mal reinhören. https://ks-wohndesign.com/podcast-farbe-und-farbwirkung

Es gibt aber noch so viel mehr Möglichkeiten. Gerade in Praxen, die keine akute Wundversorgung, ambulante Operationen oder sonstige hygienesensiblen Praktiken durchführen, haben wir durchaus auch bei den eingesetzten Materialien einen Spielraum. Selbstverständlich sollte alles gut zu reinigen und Desinfektionsfähig sein. Aber es gibt auch in diesem Bereich durchaus mehr als nur standardmäßige Plastikoberflächen und die Farbe weiß zur Auswahl.

Eine freundliche Umgebung mit warmen Akzenten und natürlichen Materialien ist deutlich angenehmer zu ertragen und vor allem mit mehr Entspannung verbunden. Wenn es um den Bereich Gesundheit und Heilung geht, dann ist ganz klar das Wohlbefinden an erster Stelle und Angst ist einer der größten Heilungsverhinderer. Das haben leider noch nicht alle im Heilberuf Tätigen begriffen und schüren diese Angst mit unbedachter Kommunikation auch noch. Lassen wir dann wenigstens die Raumsprache eine auffangende Wirkung entfalten und sorgen für ein wenig mehr Wohlgefühl in diesen Bereichen.

Vielen Dank für deine Aufmerksamkeit und beobachte doch das nächste mal wenn du zum Arzt, Heilpraktiker oder Therapeuten gehst, wie wohl du dich in diesen Räumen fühlst und was dir vielleicht direkt auffällt. Wenn du mir deine Erlebnisse berichten magst, freue ich mich darüber natürlich noch mehr. Du kannst mir gerne eine E-Mail schreiben an info@ks-wohndesign.com

Wenn du selbst eine Praxis gestalten möchtest und dabei Unterstützung brauchst, freue ich mich auf deine Kontaktaufnahme und bin gespannt darauf, dich und dein Projekt kennen zu lernen.

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