Was denkst du über Farbe?
Ich habe immer das Gefühl es gibt dabei zwei Lager. Diejenigen, die es bunt und Farbenfroh mögen und diejenigen, die lieber auf neutrale Töne und weiß setzen. Vielleicht auch aus Angst etwas falsch zu machen oder es nachher nicht zu mögen, wenn die Farbe erstmal an der Wand ist.
Die Gute Nachricht vorweg: Es lässt sich fast alles wieder überstreichen J Also plädiere ich ganz klar für weniger Angst vor Farbe.
Natürlich wäre ein stimmiges Farbkonzept die Beste Grundlage um so etwas zu vermeiden und selbstbewusst Farben einsetzten zu können. Denn es geht ja nicht nur um die Wände, sondern auch die Farbe der Einrichtungsgegenstände.
Dazu müssen wir aber verstehen was Farbe im Grunde genommen tut. Es gibt die klassische Farblehre, in der ist relativ klar definiert welche Wirkung bestimmte Farben und ihre Töne haben.
Das sieht dann ungefähr so aus:
- Blau ist kühl,
- Rot aktiviert und kann aggressiv machen
- Schwarz drückt und macht immer traurig und depressiv.
Ich habe schon ganz lange den Verdacht gehegt, dass das zu platt und einfach gedacht ist.
Und ich sollte Recht behalten. In einem hervorragenden Vortrag einer Schweizer Farbmanufaktur für Architekten und Planer, den ich kürzlich verfolgen durfte, hat es sich bestätigt, dass diese Betrachtung von Farbe nur in einem gestellten und Isolierten Versuchsaufbau zustande gekommen sein kann.
Denn es wurde völlig außer Acht gelassen, dass die Faktoren Licht und Form sehr maßgeblich auf die Farbwirkung Einfluss nehmen.
Wir sehen keine isolierten Farben, sondern orientieren uns an Kontrasten, Kanten und Objekten. Genauso wie es in Versuchen klar gezeigt werden konnte, dass unsere Augen zuerst die Umgebung nach anderen Menschen „abscannt“. Somit tritt Farbe immer im Kontext auf und niemals alleine.
Was macht die Sache so kompliziert?
Das bedeutet aber auch, dass eine stimmige Farbgestaltung nicht ganz so leicht ist wie uns die klassische Farbtheorie suggeriert. Wir können also nicht einfach sagen „mhh ich hätte gerne ein sonniges Arbeitszimmer, also streiche ich es am besten Gelb“. Denn wenn dieses Zimmer eine ungünstige Ausrichtung hat und das Tageslicht einen entsprechenden Schimmer verursacht, habe ich evtl plötzlich grün oder orange statt gelb.
Denn wir brauchen auch immer ein gutes Verständnis von Proportion, Lichtwirkung und dem was wir in einem Raum durch Farbe erreichen wollen. Ein vollständig in dunklem Blau gestrichener Raum kann bei entsprechender Wirkung großzügiger anmuten und interessanter sein als ein weißes Zimmer mit niedrigen Decken.
Zudem ist es interessant zu beobachten, dass reines Weiß dazu führen kann, dass wir unsere Umgebung schlechter wahrnehmen, da wir geblendet werden und unsere Pupillen sich dadurch verengen, was wiederum zur Folge hat, dass Konturen verschwimmen und die Wirkung von Objekten verringert wird.
Mit diesem Wissen geht man anders an ein Farbkonzept heran und versucht mehr die Kontraste und Objekte zu beeinflussen, statt eine vermeintliche Farbwirkung zu erzielen. Farbe soll einen Raum in seiner Wirkung unterstützen und ihn nicht dominieren und sich wie ein übergestülptes Element anfühlen. Deshalb ist eine ganzheitliche Betrachtung durchaus notwendig.
Es gibt auch immer Faktoren, die die Farbwahl maßgeblich beeinflussen, z.B ein nicht veränderbarer Bodenbelag oder die Farbe der Türen sofern diese nicht mit gestrichen werden können. Muss man solche Gegebenheiten ins Farbkonzept mit einbeziehen, verringert sich die Auswahl der Möglichkeiten.
Und das ist auch schon der erste Schritt zu einem stimmigen Farbkonzept. Sich klar zu machen was ist im Bestand und woran orientiere ich mich bei der Farbauswahl.
Lichtwirkung hat enormen Einfluss auf die Farbwahl
Der zweite Schritt ist die Bewertung der Lichtwirkung und Atmosphäre die man in dem Raum zum Vorschein bringen will, bzw. mit der man konfrontiert ist.
Als dritten Schritt wählt man einen Farbton mit dem man das Schöne betonen kann und im vierten Schritt kann man optional noch eine Akzentfarbe einbringen um die Dynamik zu fördern. Das ist aber nicht immer notwendig oder sinnvoll. Bzw. kann man das dann später auch mit der passenden Deko abstimmen.
Im Grunde muss alles harmonisch zusammenpassen und die Raumwirkung optimal fördern um als stimmig wahrgenommen zu werden.
Da es doch einiges auch an Kenntnissen über Material und Eigenschaften erfordert ist es nicht so leicht als Laie ein stimmiges Farbkonzept zu entwerfen. Wenn du das Gefühl hast, du hättest dabei gern Hilfe, dann schau dir mein Angebot zur Farbberatung an. Den Link findest du unter diesem Artikel.
Farbe ist nicht gleich Farbe
Beim Material kommt es nämlich auch ganz entscheidend darauf an, was für eine Grundlage man wählt. Ich persönlich tendiere immer zu mineralischen Farben mit natürlichen Pigmenten, da man mit ihnen eine unglaubliche Tiefe erzeugen kann. Zudem wirken diese Farben oft weicher und angenehmer als künstliche Pigmente und Dispersionsfarben.
Und natürlich ist der Faktor gesunde Raumluft dabei ein großes Kriterium. Man kann sich folgendes Vorstellen: die üblichen Baumarktfarben sind in der Regel Dispersionsfarben mit Kunststoffen, Löse- und Bindemitteln. Das ist praktisch der Gummihandschuh für die Wand. Während die mineralischen Farben auf Silikat, Lehm- oder Kreidebasis eine atmungsaktive und diffusionsoffene Wandfläche schaffen, die mit dem passenden Untergrund eine hervorragende Feuchtigkeitsregulation erlaubt.
Somit ist Farbe in diesem Zusammenhang mehr als nur ein Gestaltungselement, da sie gleichzeitig positiv auf die Bauphysik wirkt.
Ein weiterer Nachteil von Dispersionsfarben ist der Übergang von flüchtigen Stoffen in die Raumluft, da sie oft mit nicht gänzlich unbedenklichen Löse-und Bindemitteln versetzt sind. Wir erinnern uns dass auch hier die Qualitätssiegel meist nur bestätigen dass Grenzwerte eingehalten werden.
Aber es gilt immer noch „nicht alles, was nicht unmittelbar zum Tod führt ist auch gesund“. Ein paar ganz schlaue Farbchemiker sind jetzt auch schon auf die Idee gekommen ihre Dispersionsfarbe als „geruchsneutral“ oder „ohne Aromata“ zu kennzeichnen. Das ist ja nett, aber leider sind diese flüchtigen Verbindungen die in dieser Konstellation relevant sind sowieso meist geruchsneutral und werden nicht wahrgenommen.
Das macht die Farben dann auch nicht gesünder.
Ein kleiner Nachteil bei den Lehmfarben wäre noch zu nennen. Obwohl diese eine der natürlichsten Formen für einen Anstrich darstellen muss man wissen, dass die Wandoberfläche nicht robust ist.
Während Silikatfarben auf der Wand einen „Verkieselungseffekt“ haben, d.h sie versteinern regelrecht auf der Wand, bleibt die Lehmfarbe aufgrund der Struktur des Materials recht empfindlich für Abrieb und mechanische Belastungen. Dies ist also eher weniger geeignet, wenn sich Tiere oder kleine Kinder in den Räumen aufhalten.
Außerdem ist zu beachten, dass die meisten mineralischen Farben mit natürlichen Pigmenten zwei Anstriche brauchen um zu Decken. Das liegt an der kristallinen Struktur der Pigmente und daran wie die Farbe verarbeitet wurde. Es gibt mikronisierte Farben, da sind die Pigmentkristalle so klein geschreddert, dass es weniger ausmacht aber wenn die Pigmente noch ihre kristalline Struktur behalten dürfen, braucht es eben eine zweite Schicht. Daraus ergibt sich aber auch ein besseres Lichtspiel und eine größere Farbtiefe.
Und wusstest du, dass das Farbkonzept einer der letzten Schritte im Designprozess ist? Viele sind jetzt erstaunt, weil sie denken das käme zuerst dran und alles andere baut darauf auf.
Diese und weitere interessante Erkenntnisse zum Designprozess und wie ich ihn in meinem Business umsetze, erzähle ich dir in der nächsten Episode. Ich hoffe diese Infos waren interessant und du hast ein paar Aha-Momente gehabt.